"HypnoBirthing" verspricht eine Geburt ohne Schmerzen unter Einsatz von Hypnose – ein Konzept, das fast zu schön klingt, um wahr zu sein. DerAutor von "Hypnose als Therapie", Dr. Dieter Eisfeld stellt seine langbewährte Methode zur stress- und schmerzfreien Entbindung vor.
"HypnoBirthing" als Konzept für stress - und schmerzfreie Geburt.
Es wäre ratsam, alte Vorurteile direkt aus unseren Köpfen zu verbannen: Nein, Menschen, die hypnotisiert wurden, sind nicht willenlos oder manipulierbar. Unter Hypnose verliert niemand sein Bewusstsein, und wer sich nicht hypnotisieren lassen möchte, wird es auch nicht. Dieser eigenartige Zwischenzustand ist viel alltäglicher, als wir denken. Die meisten von uns erleben ihn sogar mehrmals am Tag in einer Art natürlicher Trance, sei es beim tiefen Lesen eines fesselnden Buches oder kurz vor dem Einschlafen, wenn wir die Zeit vergessen.
Ärzte und Hebammen beobachten immer wieder, dass auch Frauen während der Geburt in tranceähnliche Zustände verfallen. Was wäre, wenn werdende Mütter mithilfe von hypnosebasiertem Geburtsvorbereitungstraining lernen könnten, diesen Zustand bewusst im entscheidenden Moment im Kreißsaal herbeizuführen und so eine schmerzfreie Geburt zu ermöglichen? In den 1980er-Jahren verband die bekannte Hypnotherapeutin Marie F. Mongan die Entspannungstechniken unter dem Namen "Hypnobirthing" mit der Idee von Grantley Dick-Read, einem Vorreiter der natürlichen Geburt. Seine Überzeugung lautete: Angst führt zu Verspannung, und Verspannung wiederum zu Schmerzen. Denn Angst versetzt das sympathische Nervensystem in Alarmbereitschaft, wodurch zunächst als unwichtig betrachtete Funktionen aussetzen: Das Blut wird von der Gebärmutter weggeleitet, dorthin, wo es überlebenswichtig ist. Das Ergebnis: Der Gebärmutterhals bleibt angespannt und verschlossen.
Hypnose zielt darauf ab, die Geburt nicht mit Schmerzen zu verknüpfen oder den Geburtsschmerz zumindest nicht negativ zu bewerten. "Worte, die Schmerz suggerieren, kommen deshalb bei der Hypnose nicht vor: Wehen werden einfach als Kontraktionen bezeichnet", erklärt Arzt und Psychotherapeut Dr. Dieter Eisfeld.
Was genau bietet HypnoBirthing - Ansatz an?
In der Anwendung werden zunächst Ängste und Zweifeln behutsam angegangen und aufgelöst. Eine von vielen Botschaften für das Unterbewusstsein ist zum Beispiel: "Man kann sich vorstellen, im Buch seines Lebens zu blättern und die Seiten mit negativen, angstbesetzten Bildern gedanklich herauszureißen." Später erlernen die Anwenderinnen Techniken der Tiefenentspannung, darunter eine langsame, bewusste Bauchatmung, die die Wellenbewegungen der Kontraktionen unterstützt. Auch Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder eine spezielle Achtsamkeitsübung werden vermittelt.
Das 3-Teilige Programm bewirkt im Vordergrund folgende Veränderungen im Unterbewusstsein:
1. Reduziert Angst und Zweifeln und bewirkt eine stabile und gesunde Baby-Entwicklung im Mutterleib über die ganze Schwangerschaft.
2. Baut grundlegende Gefühle von Geborgenheit, Zuversicht und Vertrauen auf und führt sicher zu entspannten und schmerzfreien Geburt.
3. Stimuliert alle Körperfunktionen wie Milchproduktion, Körperregeneration und fördert eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung vor und nach der Entbindung.
Die wissenschaftliche Erfolge des HypnoBirthing
Eine Studie der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Institut für Hypnose und Hypnosetherapie ergab vielversprechende Ergebnisse: Bei Erstgebärenden, die sich mittels Hypnose auf die Entbindung vorbereitet hatten, dauerte die Geburt im Durchschnitt zwei Stunden kürzer im Vergleich zur Kontrollgruppe. Während etwa 80 Prozent der Frauen in der Kontrollgruppe angaben, "fürchterlich starke Schmerzen" gehabt zu haben, reduzierte sich dieser Anteil in der Hypnose-Gruppe auf lediglich 50 Prozent. Die Leiterin der Studie, Helga Hüsken-Janßen, ist überzeugt, dass regelmäßiges Üben den entscheidenden Unterschied macht: "Die Entbindung wird in Trance wiederholt durchgespielt. Die Schwangeren üben so intensiv, dass sie es bei der tatsächlichen Geburt relativ mühelos abrufen können."
Erfahrungen einer Mutter mit HypnoBirthing
Sophie B. (34 Jahre) ist Buchhändlerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Sie ist Mutter von drei Kindern:
"Mein Interesse an geburtsbegleitender Hypnose wurde geweckt, als eine Freundin ihr zweites Kind auf diese Weise bekam. Nach ihrer ersten, sehr schmerzhaften Geburt war sie traumatisiert. Doch nur wenige Stunden nach der zweiten Geburt sprach sie von einer völlig schmerzfreien Erfahrung dank HypnoBirthing. Das weckte meine Neugier, besonders da ich selbst in der 22. Woche mit meinem dritten Kind schwanger war. Also entschied ich mich das HypnoBirthing-Programm auszuprobieren.
Anfangs war ich skeptisch, da sich in den ersten Sitzungen scheinbar nichts Verändertes zeigte. Das Einzige, was wirklich auffällig war: Ich sollte täglich die sogenannte Tiefenmeditation zu Hause hören. Schon am fünften Tag schlief ich immer eine Minute nach Beginn der Anwendung ein, ein deutliches Zeichen für die Wirksamkeit der Tiefenentspannung.
Am Tag der Geburt erwachte ich mit Wehen und dachte, ich sei noch am Anfang. Durch falsche Atmung hatte ich zunächst Schmerzen. Erst als mir bewusst wurde, dass ich bereits in der Austreibungsphase war, holte ich mein Bild von der sich öffnenden Lotusblüte hervor und begann mit der richtigen Atmung.
Corinna wurde zu Hause geboren. Da sie schneller kam als die Hebamme erwartete, durfte ihr Papa sie allein in Empfang nehmen. Im Vergleich dazu kamen auch Julia und Clara zu Hause zur Welt, da ich bereits bei ihrer Geburt überzeugt war, dass die Geburt etwas Natürliches ist. Aber besonders bei meiner ersten Geburt hatte ich das Gefühl, sterben zu müssen, so schlimm waren damals die Schmerzen. Dieses Mal empfand ich es als wunderschön, wie das Baby sanft nach unten glitt."
Erfahrungen eines Gynäkologen mit HypnoBirthing
Dr. Volker Maaßen, renommierter Autor und langjähriger Ärztlicher Leiter der Gynäkologischen Fachklinik Helmsweg in Hamburg.
"Ich habe häufig erlebt, dass Frauen während der Geburt in Trance verfallen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass ihr Zeitgefühl sich verschiebt oder sie in kindliche Muster zurückfallen, indem sie unter der Geburt nach ihrer Mutter rufen. Diese tiefe Entspannung fördert den Geburtsprozess, indem der schmerzhafte Kreislauf von Schmerz, Verspannung und erneutem Schmerz unterbrochen wird. Es ist auch klar, dass übermäßiges Nachdenken oder jede Form von Aktivität die Geburt erheblich stören kann. Unnötige Untersuchungen oder Gespräche seitens des Arztes können den Geburtsprozess sogar beeinträchtigen. Die Steuerungsprozesse während der Geburt stammen aus der limbischen Ebene, dem Teil des Gehirns, in dem die Emotionen gesteuert werden.
Dennoch ist zu beachten: Hypnose ist nur ein Teil des umfassenden Spektrums von Entspannungsmethoden. Die Frauen, die ich während der Geburt so tiefenentspannt erlebe, haben nicht unbedingt mit Hypnose gearbeitet, sondern sie haben sich auf die Geburt vorbereitet und zu sich selbst gefunden. Manchmal reicht sogar etwas Einfaches wie Schwimmen aus – denn auch hier spielt das Bewusstsein des eigenen Körpers eine entscheidende Rolle."
Erfahrungen einer Hebamme mit HypnoBirthing
Anna Reineken, 56 Jahre, ist Hebamme im Geburtshaus Regenbogen in Neustadt an der Aisch.
"Im Geburtshaus bieten wir bereits ein geschütztes emotionales Umfeld, aber für mich macht es Sinn, dass Frauen ihre eigene "Werkzeugkiste" für die Geburt mitbringen. Selbst wenn die Geburt nicht vollständig schmerzfrei wird, ermöglicht die Hypnose Frauen, verschiedene Atem- und Entspannungstechniken für jedes Stadium zu erlernen. Die Unterstützung des Partners spielt dabei eine entscheidende Rolle. Allein das Gefühl, gut vorbereitet und gestärkt in die Geburt zu gehen, verleiht den Frauen eine erstaunliche Gelassenheit. Ich erinnere mich an eine zierliche junge Frau, die sich intensiv mit Hypnose vorbereitet hatte. Sie war so gelassen und wartete geduldig darauf, dass die Schmerzen stärker werden. Vergeblich.
Besonders schön finde ich, dass der Partner bei der Hypnose eine zentrale Rolle als Bezugsperson während der Geburt einnimmt. Durch kleine Gesten gibt er seiner Frau Anweisungen oder schlägt vor, was sie ausprobieren könnte. Alle Paare, die diese Methode angewendet haben, konnten am Ende wirklich sagen: "Wir haben gemeinsam ein Kind bekommen." Es ist wichtig zu betonen, dass sowohl für die Hypnose als auch für andere Entspannungstechniken die werdende Mutter ein tiefes Interesse an den Abläufen vor und während der Geburt mitbringen muss. Selbstbestimmung ist hier entscheidend; das Motto "Augen zu und durch" führt nicht zum gewünschten Erfolg."
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